So frischt ein Polster-Profi Designklassiker auf

Wenn Midcentury-Möbel in die Jahre kommen, ist das kein Drama – sondern die Chance für ein schickes Makeover! Mirza Music-Zander von der „Unique Factory Berlin“ erklärt, wie Sie den richtigen Bezug finden.
Unique Factory Berlin Polstermöbel Bezug
Mirza Music-Zander (links) und Mensud Bjelosevic, die beiden Gründer und Inhaber von Unique Factory Berlin.Unique Factory

Herr Music-Zander, Sie haben sich spezialisiert auf das Aufpolstern und Neubeziehen von Design-Klassikern. Wie kam es dazu?

Ich bin gelernter Raumausstatter, mein Schwerpunkt in der Ausbildung war klassische Polsterung, sprich Schnürung von Federn, Fasson-Auflegen, Pikierung usw. Nach einer Weile haben die Biedermeier-Sofas aber für mich ihren Reiz verloren. Das sind schon Schmuckstücke, aber eher keine Möbel, die man intensiv nutzt. Stattdessen habe ich dann die Design-Klassiker für mich entdeckt.

Was ist dabei die besondere Herausforderung?

Solche Möbel sind meistens gegossen, das heißt, Schäume werden in ein Modell gepresst, um die Form zu bekommen, die sie für das Möbelstück benötigen. Uns ist es nach und nach gelungen, mit Kaltschaum, der früher in der Polsterei nicht üblich war, und verschiedenen Schnitttechniken diesen gegossenen Schaum nachzubilden. Ich würde behaupten, dass wir heute 98 Prozent aller Design-Klassiker originalgetreu nacharbeiten können.

Mit Design-Klassiker meinen Sie Möbel der Fünfziger-, Sechzigerjahre?

Ja. Ich würde aber sagen, dass es schon in den Zwanzigern losgeht, zur Zeit des Bauhaus und des Art déco.

Mirza Music-Zander beim traditionellen Polstern.

Christina Stivali

Werkbänke (selbst angefertigt aus alten Tischlerbänken) mit Polsterwerkzeug.

Christina Stivali

Wie häufig muss so ein Möbel denn neu bezogen werden?

Ein Design-Klassiker, der gut gearbeitet ist, sollte auf jeden Fall 15 bis 20 Jahre halten. Ein guter Bezugsstoff hält locker so lang, aber die Weichmacher im Schaumstoff lassen halt irgendwann nach. Bei Möbeln kommt es aber immer auch darauf an, wo sie stehen. Stehen sie in der Sonne, stehen sie in einem gut gelüfteten Raum?

Ist dann eher irgendwann der Stoff durchgewetzt oder die Polsterung mürbe?

Das ist immer eine Frage der Benutzung. Aber meistens geht das Hand in Hand. Wenn der Bezug an einer Stelle durchwetzt, dann geht der Schaumstoff auch kaputt, und wenn der Schaumstoff in sich zusammensackt, zieht er auch den Bezugsstoff in Mitleidenschaft.

Seltene Bank von Osvaldo Borsani vorher ...

Christina Stivali

... und nachher.

Christina Stivali

Welche Stoffe kommen denn grundsätzlich infrage für Vintage-Möbel, was sind die Grundpunkte, die man da bedenken muss?

Ich möchte immer wissen: Wo steht das Möbelstück? Wie wird es genutzt? Wie ist die Vorgeschichte des Möbels, wie lange ist es schon in der Familie? Hat die Familie Kinder? Gibt es Haustiere? Das sind die eher technischen Fragen, die geklärt werden müssen.

Weil dann eventuell manche Stoffe von vornherein ausscheiden?

Also es gibt Stoffe, die sind nach dreimal Kratzen kaputt. Und Baumwoll-Velours verträgt zum Beispiel keine Wasserflecken. Wenn ein Sessel im Schlafzimmer steht und man will nur sein Sakko darüberlegen, dann kann man einen Stoff nehmen, der im Vorhangsbereich benutzt wird, wenn da genau die Vögel drauf sind, die man haben möchte. Wenn aber derselbe Sessel im Wohnzimmer steht und zum Fernsehen benutzt wird, dann wäre der Stoff nicht geeignet.

Der Showroom, in dem Beratung und Auswahl der Stoffe und Materialien stattfindet – im Hintergrund die Manufaktur.

Christina Stivali

Blick vom Showroom in die gläserne Manufaktur, in der hauptsächlich Polsterarbeiten durchgeführt werden. Auf den Regalen im Hintergrund aufgearbeitete Möbel, noch nicht aufgearbeitete und neue Möbel.

Christina Stivali

Wenn man einen Sessel aus den Fünfzigerjahren geerbt hat und möchte ihn im Stil der damaligen Zeit haben, was würden Sie dann empfehlen?

Damals war vieles mit Mohairvelours bezogen – Sie kennen bestimmt noch die typische Rautenheftung. Wenn man heutzutage so einen Sessel originalgetreu beziehen möchte, dann liegt man mit Samt richtig.

Und was passt zu Biedermeier-Möbeln?

Es gibt die klassischen Biedermeierstreifen, die ich persönlich aber einfach nicht mag und sehr selten empfehle. Lieber nehme ich stattdessen Jugendstil- und Art-déco-Stoffe von Backhausen, zum Beispiel Entwürfe von Koloman Moser. Wenn Gründerzeit-Möbel damit bezogen werden, sehen sie aus wie Schmuckstücke! Das ist so, als würden Sie einem Sofa eine Perlenkette auflegen – man macht nie was falsch, die Motive sind zeitlos. Wenn man nicht weiß, dass die aus den Zwanzigern sind, würde man denken, sie wären heute entworfen worden.

Mit welchen Herstellern arbeiten Sie sonst noch gern zusammen?

Kvadrat und Dedar kommen bei uns viel zum Einsatz. Auch Gastón y Daniela, Pierre Frey, Holland & Sherry oder C&C Milano. Jedes Haus hat seinen eigenen Charakter, und meistens gibt es einen Hersteller, der richtig gut passt. Wenn Sie zum Beispiel sehr helle, freundliche Räume haben, dann können Sie bei den Leinenstoffen von C&C Milano aus dem Vollen schöpfen. Und wenn Sie Ihre Wohnung sehr schlicht und in Cremetönen halten möchten, dann liegen Sie bei Dedar richtig.

Außenansicht der Unique Factory Berlin in der Potsdamer Straße 199.

Christina Stivali

Im Inneren des Showrooms.

Christina Stivali

Ist für Sie also im Zweifelsfall eher Farbe, Haptik oder Dessin ausschlaggebend als die Frage, ob ein Bezugsstoff genau zu der Zeit passt, aus der das Möbel stammt?

Im Prinzip ja. Wir möchten die Möbel mit dem Interior der Kunden in Einklang bringen– und es kommt außerdem auch immer darauf an, was jemand mit einem Stück verbindet. Allerdings haben Möbel meistens eine Seele, und die verlangt einfach nach bestimmten Stoffen oder einer bestimmten Art der Verarbeitung, an der Sie nicht vorbeikommen. Wenn man das alles im Blick hat, dann findet man relativ schnell den Stoff, der passt.

Gibt es bei Möbelbezügen aktuelle Tendenzen? Bestimmte Stoffe oder Muster, die besonders viel nachgefragt werden?

Ich habe das Gefühl, dass die Schlichtheit und der Minimalismus unserer heutigen Räume dazu führt, dass wir sehr viel Velours verkaufen. Ich erkläre mir das so, dass die Leute halt doch einen Bruch haben möchten zum cleanen Boden, zu den cleanen Wänden. Der Trend ist seit Jahren konstant, nur die Farben ändern sich immer wieder. Nicht so schnell wie in der Mode, aber man kann sagen, die Palette wechselt so alle vier Jahre. Dieses Jahr habe ich das Gefühl, dass Moosgrün total in ist. Und davor war es Königsblau. Was wir im Moment außerdem viel machen, ist Schwarzweiß – Salz und Pfeffer.

Tendieren die meisten Kunden zu Uni-Stoffen, oder sind auch Muster gefragt?

Na ja ... Man kann immerhin sagen, die Kunden sind generell mutiger, wenn es um Möbel geht als um Vorhänge.

Ach ja?

Ja, ich finde, bei Vorhängen könnten sie eigentlich noch ein bisschen mehr Muster verkraften. Aber da gilt grundsätzlich eher: Weniger ist mehr. Manche Kunden befürchten vielleicht, auffällige Muster könnten zu unruhig wirken. Wenn ich Kunden habe, die sich vorstellen können, mutig zu arbeiten und sich für etwas sehr Buntes zu entscheiden, dann bestellen wir auch mal ein 1,5 Meter großes Stück Stoff und legen es auf das Möbel und sagen: „So kann das aussehen.“ Dann können sie es sich besser vorstellen, und sie merken: Egal, wie groß ein Muster ist – alles, was man als unruhig empfindet, wird auf einer großen Fläche ruhiger.

Würden Sie sagen, das gilt für jedes Muster?

Ja, das würde ich behaupten. Auf einem Dreisitzer können Sie jedes Muster verarbeiten. Es gibt allerdings Wohnungen, zu denen passen großformatige oder gemusterte Stoffe einfach nicht. Wenn der Kunde trotzdem möchte, dass es bunter wird, dann erreichen wir das mit vier, fünf Kissen, die man auch mal zur Seite räumen kann.

Mirza Music-Zander (links) und Mensud Bjelosevic, die beiden Gründer und Inhaber von Unique Factory Berlin.

Unique Factory